Ist Lesen retro?

Wir lieben es, ein gedrucktes Buch in der Hand zu halten. In den sozialen Medien haben wir  (anlässlich unseres Jubiläums-Magazins NEULand) gefragt: Was bedeutet es für euch?

„Ein Buch zu lesen ist für mich wie das Eintauchen in eine andere Welt. In eine Welt, die nicht meine ist, in der der Inhalt des Gelesenen aber Stück für Stück zu meiner eigenen wird. Denn die Worte, Geschichten, Weisheiten und Bilder beginnen so in mir zu resonieren, dass sich auch etwas in mir verändert. Ich darf mitweinen, mitlachen, mitheilen, mich an Worten stören, an ihnen reiben oder ganz erkannt in ihnen versinken. Darf mitreisen, beobachten oder mit den einzelnen Menschen und ihren Geschichten verschmelzen. Oh, ich lerne so viel und auf so leichte und natürliche Art, wenn ich lese!

Interessanterweise entfaltet sich die Wirkung des Geschriebenen noch viel stärker, wenn ich das Buch wirklich zum Greifen (nah) in meinen Händen halten kann (Ja, ich habe es schon mit einem „Kindle“ versucht). Und das liegt nicht nur an diesem herrlichen Duft, den ein „frisches“ Buch verströmt. Nein! Doch woran liegt es dann? Ich weiß es selbst nicht so ganz. Vielleicht daran, dass mein Herz um die ursprüngliche Form eines Buches weiß und es sich nicht „echt“ anfühlt, wenn ich es nicht anfassen und umblättern kann. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich meine Bücher regelrecht verstoffwechsle: Dort ein Eselsohr, hier ein Lesezeichen, da ein lieb gewordener Satz, den ich unbedingt zum Wiederfinden markieren muss. Nicht nur inhaltlich, sondern auch äußerlich integriert sich das Buch auf diese mir eigene Weise in meine Welt und sieht dann irgendwann auch nach mir aus. Und so ist am Ende jeder Lesereise eine Einheit aus dem/der SchriftstellerIn und mir geworden. Sichtbar nach außen und spürbar nach innen. Diese Erfahrung hat etwas Geheimnisvolles an sich. Und darauf möchte ich nicht verzichten, denn sie ist mir zu einer Lese- und Lebenslust geworden, von der ich täglich zehre.“

Amelie Rick, amelierick.de

 

„Vielleicht liegt es an meinem Namen, dass ich eine Leidenschaft für Bücher habe. Ich mag den Duft von gedruckten Büchern. Ein schön gestaltetes Cover ist ein Genuss für meine Augen. Tiefe, ehrliche Gedanken weiten meinen Horizont. Gerne nehme ich ein gelesenes Buch nach Monaten oder Jahren noch einmal aus dem Regal und lese die von mir markierten Stellen.“

Björn Büchert, Instagram: @buch.buecher.buechert

 

Das waren noch Zeiten…

Als ich ein kleines Mädchen war – und das ist nun schon sehr lange her – da schenkte mir meine Oma ein wunderschönes Buch. Neugierig schlug ich es auf und betrachtete immer wieder die schönen Bilder. Wenn ich mich recht erinnere, ging es um Gottes Schöpfung.

Wie gerne hätte ich den Text zu den Bildern gelesen, aber lesen, das konnte ich noch nicht, schließlich dauerte es bestimmt noch ein Jahr, bevor ich in die Schule kommen sollte. Aber meine Oma war geduldig und so fragte ich sie, was bedeutet ein B und was ein V und all die anderen kleinen und großen Buchstaben. Schließlich hatte ich es geschafft und ich konnte nicht nur die Bilder des Buches bewundern, sondern auch das Schriftliche entziffern.

Ähnlich ging es mir mit dem Schreiben. Wenn meine Eltern mit meiner Schwester und mir im Wald spazieren gingen, nahm ich gern ein Stöckchen, das auf dem Waldboden lag in die Hand und schrieb. Unermüdlich schrieb ich „Buchstaben“ auf die Bank im Wald, deren Sinn nur ich selbst verstehen konnte.

Warum man rechnen lernen musste, das habe ich nie wirklich verstanden. Aber lesen und schreiben, da taten sich Welten auf. Mein erstes Buch, das ich damals an einem Stück gelesen habe, war „Heidi“ von Johanna Spyri. Es war auch der erste Film, den ich im Kino gesehen habe. Ich war begeistert von Heidi und manchmal stellte ich mir vor, selbst das Heidi zu sein. Mein Glück kannte kein Ende, als meine Eltern mit uns Kindern einen Urlaub in den Schweizer Bergen in einer Hütte machten. Natürlich hatte ich mein Heidi-Buch dabei. Auf einmal war es vor meinen Augen wahr geworden, was ich zuvor in dem Buch gelesen hatte.

Einmal lief ich auch mit diesem Buch in den Keller, wo meine Mutter in der Waschküche vor dem riesigen Waschzuber saß und mit einem riesigen Löffel in der Wäsche rührte . „Du hast jetzt Zeit und kannst bei der Arbeit das Heidi-Buch lesen.“ Schlug ich ihr vor.

Hätte mir damals, in den 60er-Jahren jemand erzählt, wie sehr sich das Büchermachen entwickeln würde, welche Möglichkeiten entstehen würden, Schriftliches, Gedanken und viel anderes digital und im PC zu bearbeiten, darzustellen und weiterzugeben, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Wahrscheinlich hätte ich mir damals eher eine Waschmaschine für meine Mutter gewünscht …

Allerdings, wie gut ist die digitale Entwicklung. Wir profitieren davon. Ich wünsche mir aber auch weiterhin immer wieder dieses Glück zu erleben, ein Buch in die Hand zu nehmen, erst einmal darin blättern, die letzte Seite aufzuschlagen, um zu sehen, ob es ein Happy-End gibt, weil man sich während des Lesens dann nicht so aufregen muss. Dann will ich auch mal die Nase reinstecken und den Geruch des frisch gedruckten Buches genießen.

Und schließlich lesen, zwischendurch mal innehalten, erneut das Buch aufschlagen und lesen.  Schließlich das Buch zuschlagen, um es dann wieder aufzuschlagen, da wo das hübsche Buchzeichen ist und weiterlesen. Schön, wenn um mich und in mir alles ruhig ist. Meine Augen lesen die Buchstaben auf und lesend, während ich nach dem Buch greife, begreife und verstehe ich. Ich genieße die Zeit mit einem Buch wie das Zusammensein mit einer lieben Freundin, mit der ich mich lange unterhalten habe. Schade, wenn sie schließlich gehen muss. Schade, wenn ich das Buch aus der Hand legen muss.

Während meiner Andacht am Morgen wäre es für mich unvorstellbar, digital in der Bibel zu lesen. Da halte ich auch gern mal die nun wirklich ur-uralte Bibel meines Opas in der Hand und lese seine Notizen, die er am Rand gemacht hat.

„Alles hat seine Zeit“, das ist nicht nur eine Redewendung. Das steht in der Bibel und ich weiß, dass es im Prediger steht, aber wo es ganz genau steht, fällt mir jetzt nicht ein. Das lässt sich digital leicht nachschlagen. Bei all den Vorteilen dieser enormen Entwicklungen, würde ich es sehr bedauern, wenn es in der Zukunft keine Bücher mehr geben würde, die ich in Händen halten könnte. Es wäre in meinen Augen ein großer Verlust. Irgendwie fühlte ich mich auch beraubt um schöne Stunden mit den Lieblingsbüchern, die ich einfach so aus dem Regal nehmen kann.

Alles hat seine Zeit, aber hoffentlich ist die „Buch-in-der Hand-halten-können-Zeit“ nicht vorbei. Das wünscht sich

Rosemarie Dingeldey, www.rosemarie-dingeldey-psychische-krankheiten.de/

 

Eine Liebeserklärung an das geschriebene Wort

Ich mag das geschriebene Wort.

Es bringt Struktur in formlose Gedanken.
Es eilt nicht zu schnell davon
wie manchmal die Worte, wenn ich sie ausspreche,

zu schnell, sodass sie stolpern, sich verhaspeln, durcheinanderkommen.

Auch schlendert es nie zu langsam, zu träge dahin,
wie gesprochene Worte bei manchen Menschen,
bei denen ich schon beim Zuhören ganz kribbelig werde vor Ungeduld.

Es vergisst nicht, Pausen zu machen

und redet auch nicht endlos weiter ohne Punkt und Komma.

Es passt sich an.
Ist immer genau richtig für mich,
langsam an einem entspannten Abend, schnell in der Eile,

immer unaufdringlich und doch jederzeit da,
wenn ich es brauche oder will.

Ja, ich mag es einfach, das geschriebene Wort ♥️

Judith Mazzilli, mamazilli.wordpress.com/