Neu: Alles außer planmäßig

Über ihre Tochter Tina, die mit Down-Syndrom und Autismus auf die Welt kam, hat Doro May bereits zwei Bücher verfasst. Jetzt ist ihr drittes Buch erschienen: Alles außer planmäßig. Für unseren Blog hat die Autorin uns ein paar Fragen beantwortet.

Doro May

Geht das Schreiben eigentlich mit jedem weiteren Buch leichter von der Hand?

Auf jeden Fall. Im Ur-Manuskript des ersten Buches habe ich mich erzählperspektivisch selber noch mit „du“ angesprochen. Diese Distanz brauche ich nicht mehr. Auch muss ich nichts verklausulieren, kann auch schwierige Themen, makabre Situationen schildern. Und was ich für mich behalten möchte, schreibe ich halt nicht.

Eigentlich dachten Sie ja, nach dem zweiten Buch gäbe es nichts Neues mehr zu erzählen. Nun schreiben Sie im Klappentext: „Dass ich im Erwachsenenalter noch so viel lernen musste, stand wirklich nicht auf meiner To-do-Liste.“ Was durften Sie denn noch lernen?

Ganz praktisch betrachtet habe ich durch Tinas Wurfaktionen (Porzellan und Glas machen auf Fliesenböden so ein tolles Geräusch) gelernt, dass die meisten „Stehrümmchen“ Dinge sind, die tatsächlich nur die Bude vollstellen. Auch, dass man statt kostbarer Bilder gerahmt und unter Glas durchaus schöne Plakate an Wände heften kann. Auch hab ich nähen gelernt, damit Tina nicht nur mit hochgekrempelten Hosen herumlaufen muss. Ich kann einigermaßen Haare schneiden und püriertes Obst und Gemüse in Quark bzw. Frikadellen unterbringen, damit Tina zumindest ein paar Vitamine zu sich nimmt.

Schwieriger ist es, bei Behörden oder Arztgesprächen den richtigen Ton zu treffen, damit eine Entscheidung, eine Behandlung in Gang kommt und man trotzdem nicht ausschließlich als Bittsteller dasteht. Und ich habe gelernt zu kämpfen: für Besuchsrecht in Corona-Zeiten, für Hilfsmaßnahmen und Therapiedinge mit der Krankenkasse, für endlos viele Kleinigkeiten, die ich für Tina als wichtig erachte.

Was hat Ihnen im Alltag mit der außergewöhnlichen Tina Kraft gegeben?

Mein Leben ist durch sehr viel Konstanz geprägt. Mein Mann, die Kinder, die Freunde – sie alle gehören seit Jahrzehnten zu mir. Das macht einen stark, denn man kann sich voll auf die Aufgaben konzentrieren, die das Leben einem stellt. Und man hat in jeder Hinsicht Hilfe, schon weil jeder aus meinem Umfeld in irgendeiner Weise Fachmann/-frau ist.

Auch wenn ich zu den ewigen Zweiflern gehöre: Mein christlich geprägtes Elternhaus hat dafür gesorgt, dass ich gelernt habe, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, Mut zu schöpfen, Dinge zu ändern, die änderbar sind – und das eine vom anderen zu unterscheiden.

Sie sind ja viel zu Lesungen unterwegs gewesen; oft mit spannenden Gesprächen im Anschluss. Was hat Sie dabei am meisten überrascht?

Überraschend finde ich die häufig gestellte Frage: Ist Ihr Mann noch da? Ich zeige dann immer auf ihn, denn er begleitet mich stets auf Lesungen, und sage: Da sitzt er. Gedacht habe ich oft: Ich bin ja ebenfalls nicht abgehauen, weil das Leben mit meiner besonderen Tochter so stressig ist. Außerdem hängt er genauso an seinen Kindern wie ich.

Aber Fakt ist, dass wohl viele Väter sich der Verantwortung entziehen und die Mütter mit dem von Behinderung betroffenen Kind allein lassen. Dabei schweißt das doch eigentlich eher zusammen – so meine Erfahrung.

Wenn Sie heute einem jungen Paar begegnen, das ein Kind mit Down-Syndrom erwartet: Was wäre das Wichtigste, was sie den beiden sagen würden?

Zunächst hat man wie alle Eltern ein Baby, das umsorgt wird. Und in dieses etwas andere Eltern-mit-DS-Kind-Leben wächst man hinein. Durch Frühförderung und Elternkreise steht man mit diesem kosmischen Spezialauftrag heutzutage nicht alleine da.

Die meisten Menschen mit DS, die ich kennengelernt habe, sind nicht nur fit. Sie haben eine umwerfende Unmittelbarkeit in allem, was sie sagen und tun. Es ist schön, so jemanden zu kennen. Und es ist schön, mit ihnen zusammenzuleben. Probleme machen die anderen Kinder (ohne DS) auch.

Tinas kleine-große Schwester (zwei Jahre jünger): Für mich war Tina nie behindert. Sie war und ist einfach nur Tina.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hier geht es direkt zu Doro Mays neuem Buch Alles außer planmäßig.